Kunst statt Werbung

Ein schönes Wandbild. Seit über zehn Jahren verziert es die Fassade eines fast 120 Jahre alten Hauses am Deich. Es ist siebzehn Meter hoch und zehn Meter breit.

Das Bild zeigt den Kopf einer Person mit einer surrealen Frisur. Die Haare verwandeln sich in einen Dschungel, in dem ein undefiniertes Vogelwesen, kleine Affen und ein Reiher leben. Der Reiher erinnert an den Standort des Hauses im Reiherstiegviertel auf der Elbinsel Wilhelmsburg in Hamburg.

Leider hat die Person keine Augen. Dafür ist der Platz an der Fassade wohl zu lukrativ –

er lässt sich kommerziell verwerten. Alle zwei Wochen werden hier neue Plakate angebracht. Sie zeigen fettige Hamburger oder billige Wegwerfmöbel. Der Werbekonzern Ströer bewertet die Fläche mit 3 von 5 Sternen. Ein Plakat hier einen Tag lang zu zeigen kostet 18,40€.

Die Hafenrandstraße / Ecke Fährstraße 115 ist viel befahren. Es herrscht stetiger Wirtschaftsverkehr des Hafens. Der Ort ist auch Begrüßung und Eingangstor für all jene, die mit Fahrrad oder Fähre ins Reiherstiegviertel kommen.

Der Verein Public Spaces e.V. hat die Plakatflächen für zwei Wochen gemietet und weiß plakatieren lassen. Vom kommerziellen Druck befreit wirkte das Haus und der ganze Ort für ein paar Tage erleichtert und inspirierend. An einem Abend nutzen Aktivist:innen der Volksinitiative Hamburg Werbefrei die Flächen als Leinwand, um ein werbekritisches Pacman Spiel (https://demo.ef.uber.space/pacman/) und den Film ‚Nichtstadt‘ zu projizieren.

Am 23.5.24 bemalten Hanna Lena Hase und Kai Teschner die weißen Plakatflächen. Die beiden Künstler:innen haben haben vor genau zehn Jahren, im Sommer 2014 das Wandbild gemeinsam mit Schüler:innen der Stadtteilschule Wilhelmsburg erschaffen.

Sie vollendeten das Gemälde und gaben der Person erstmals zwei Augen. Das Gesicht schaut ruhig und friedlich auf Deich und betrachtende Menschen. Die Wolken in den Augen inspirieren und erinnern an den surrealistischen Maler René Magritte.

Die Schönheit ist leider von kurzer Dauer. Schon eine Woche nach der Erschaffung wird der Werbekonzern Ströer die schönen Augen erneut durch hässliche Werbung ersetzen.

Wem nützten die Werbeplakate?

Warum darf der Ort nicht dauerhaft schön sein?

Mit Werbung
Ohne Werbung
Zwischennutzung
Bemalung
Kunst statt Werbung

Artikel im Wilhelmsburger Inselrundblick: https://inselrundblick.de/aktuell/noch-ein-paar-tage-kunst-statt-werbung/